Everdell Duo

Rezension von Kathrin Walther (09.2025)

Ein tolles Spiel, das sowohl thematisch als auch spielerisch überzeugen kann!

Verborgen in den tiefen des Waldes liegt das Tal Everdell. Eigentlich geht es hier ziemlich harmonisch zu, doch zur selben Zeit versuchen gleich zwei Stadtoberhäupter hier eine neue Stadt aufzubauen. Kein Wunder, dass Ressourcen und Zeit in diesem erbitterten Wettstreit um die schönste und reichste Stadt rar sind. Um diesen Wettbewerb zu gewinnen, bleibt den beiden Stadtoberhäuptern nur ein Jahr, in dem ihnen die Jahreszeiten Winter, Frühling, Sommer und Herbst mit unterschiedlichen Gegebenheiten zur Verfügung stehen. Gleichzeitig beeinflussen auch Sonne und Mond das Wachstum der Städte. Wessen Stadt wird am Ende des Jahres wohl die meisten Bürger durch ihren Reichtum überzeugen können oder werden die Stadtoberhäupter stattdessen doch eine ganz andere Linie fahren und ihre Fähigkeiten bündeln, um gemeinsam eine (hoffentlich) florierende Stadt aufzubauen, während die Presse jeden Handlungsschritt mit kritischen Augen beobachtet?

(Herausfordernd) kooperativ, kompetitiv oder doch lieber als Kampagne?

Ein Satz vorweg: Um an dieser Stelle den Rahmen nicht zu sprengen, wird es im Weiteren in erster Linie um die kompetetive Variante gehen, während die anderen Varianten nur kurz angeschnitten werden.

Bevor es  mit dem eigentlichen Spiel losgehen kann, muss zunächst entschieden werden, in welcher Variante gespielt wird. Dazu stehen klassisch gegeneinander, zusammen gegen das Spiel, zusammen oder allein gegen Lily Lästermaul oder aber eine Geschichte in Form einer Kampagne zur Auswahl. Ist die Wahl getroffen, müssen die jeweiligen Spielvorbereitungen erledigt werden. Als erstes wird der Spielplan mit der „Reise“-Seite nach oben in die Mitte des Tisches gelegt, bevor anschließend Ressourcen sowie Besetzt- und Punktemarker als Vorrat bereitgelegt und die Aufsteller für Sonne und Mond auf das erste Feld gestellt werden. Als nächstes folgt das Auslegen und Bereitlegen der verschiedenen Kärtchen und Plättchen, zu denen unter anderem Wesen- und Bauwerkskarten, Fluss-Orte, Ereignisse und Jahreszeitenplättchen gehören. Der Spieler, der als letztes ein Schläfchen gemacht hat, erhält anschließend die drei Holzhasen als Spielfiguren, während der andere Spieler die Schildkröten bekommt. Hat jeder Spieler außerdem zwei Handkarten erhalten und wurden die Schritte auf dem Winterplättchen abgehandelt, kann es auch schon mit dem eigentlichen Spiel losgehen.

In jeder Jahreszeit stehen den Spielern abwechselnd jeweils sechs Züge zur Verfügung, in denen entweder ein Tier eingesetzt, eine Karte ausgespielt oder eine Karte gezogen beziehungsweise aufgenommen werden kann. Nach jedem Zug wird entweder der Sonnen- oder der Mondmarker einen Schritt vorgesetzt, je nachdem, welche Aktion ausgeführt wurde. Sind beide Marker am Ende des Weges angekommen, beginnt die nächste Jahreszeit. Alle eingesetzten Tiere werden zurückgenommen, Sonne und Mond wieder an den Anfang des Weges gestellt und die Aktionen des nächsten Jahreszeitenplättchens werden ausgeführt.

Während der Runden versuchen die Spieler durch geschicktes Ressourcen-Management und Tableau-Building (à cleveres Karten auswählen und ausspielen, sodass ein gut ineinandergreifendes Kartendeck aufgebaut wird) ihre Stadt aufzubauen, sodass sie am Ende des Spieljahres hoffentlich den meisten Gewinn erzielen können. Die Karten gehören dabei unterschiedlichen Kategorien an und lassen sich in Wesen oder Bauwerke einteilen. Zusätzlich lassen sie sich in die Kategorien Bewegung, Produktion, Ziel, Wohlstand und Verwaltung aufschlüsseln. Um eine Karte ausspielen zu können, müssen in der Regel die Kosten, die links oben auf der Karte abzulesen sind, gezahlt werden. Die meisten Karten geben am Ende außerdem Siegpunkte. Darüber hinaus haben sie einen Effekt, der entweder direkt beim Ausspielen aktiv wird, sich durch das Einsetzen der Spielfigur oder aber erst am Spielende auslösen lässt. Die Ressourcen, die zum Kauf einer Karte notwendig sind, lassen sich entweder durch das Einsetzen der Figuren auf Farm- oder Flussorten oder durch Effekte von Karten einsammeln. Zusätzlich sind noch die Ereignis-Orte zu erwähnen, die beim Erfüllen der Bedingungen und dem Einsetzen einer Figur ebenfalls eine Belohnung einbringen.

Wurden alle Jahreszeiten durchlaufen und sind Sonne und Mond im Herbst am Ziel, endet das Spiel und es geht an die Endwertung. Dazu werden zunächst alle Punkte auf den Karten der Stadt zusammengezählt, bevor im nächsten Schritt die Bonuspunkte der Wohlstandskarten der Stadt hinzugezählt werden. Zum Schluss folgen noch die Punktemarker im jeweiligen Vorrat und die erledigten Ereignisse. Gibt es einen Gleichstand wird noch die Anzahl der erledigten Ereignisse, dann die der noch übrigen Ressourcen, die Anzahl der Karten in der Stadt und nachfolgend die Anzahl der Karten auf der Hand hinzugezogen, sodass am Ende in jedem Fall ein eindeutiger Sieger feststehen sollte.

Spielt man hingegen kooperativ, kann das Spiel sowohl als Einzelpartie oder Kampagne gespielt werden. Dabei wird jeweils gemeinsam eine Stadt aufgebaut, wobei eine gewisse Punktzahl und andere Aufgaben erfüllt werden müssen. Im beiliegenden Kampagnenbuch gibt es dazu 15 verschiedene Kapitel, die sich entweder als Kampagne mit Geschichte nacheinander durchspielen lassen oder unabhängig voneinander, indem einfach eines der 15 Kapitelt ausgewählt und losgelöst von den übrigen Kapiteln gespielt wird. In diesen Varianten kommen dann auch die übrigen Spielfiguren zum Einsatz, die die Stinktierdame Lily Lästermaul verkörpern. Als Reporterin für das „BLATT“ wacht sie über die einzelnen Schritte und mischt in der Stadt mit, genauer gesagt blockieren Stinktierfiguren Orte auf dem Spielplan, die dann je nach Jahreszeit nicht mehr zur Verfügung stehen.

Auch in diesen Varianten geht das Spiel wieder über vier Runden. Konnten alle Aufgaben des jeweiligen Kapitels erfüllt werden, geht der Sieg an die Spieler und sie erhalten die entsprechenden Siegpunkte, die auf dem Kampagnenbogen notiert werden. Andernfalls darf die jeweilige Kampagne im normalen Modus noch einmal wiederholt werden. Wird im schweren Modus gespielt, steht nur für drei Kapitel der Kampagne ein weiterer Versuch zur Verfügung. Wurden alle 15 Kapitel gespielt, wird eine Gesamtpunktzahl ermittelt, die sich aus den Punkten der einzelnen Kapitel sowie Bonus- bzw. Strafpunkten für erneute Versuche zusammensetzt. Ab 1000 Punkten gibt es eine Bronze-Medaille, 1250 Punkte bedeuten Silber und ab 1500 Punkten kann man sich über Gold freuen!

Zusätzlich lässt sich das Spiel kooperativ oder solo auch als Herausforderung spielen, wobei dann gegen die abgebrühte Lily Lästermaus gespielt wird und ihre Punktzahl geschlagen werden muss. Wurde Lästermaul besiegt, dürfen zusätzlich alle bewältigten Herausforderungen auf der letzten Seite der Anleitung als „Erfüllt“ angekreuzt werden. Für ein Kreuzchen unter „Fleißig“ dürfen sich beispielsweise keine Produktionskarten in der Stadt befinden, für „Effizient“ sind nur bis zu 10 Karten in der Stadt erlaubt und bei „Glamourös“ muss die Stadt mindestens 5 Wohlstandskarten enthalten.

Spiel, Spaß und Abwechslung

Der Name Everdell könnte dem ein oder anderen eventuell bekannt vorkommen, ist er in der Welt der Brettspiele schließlich ein alter Bekannter und die „normale“ Variante bereits seit 2023 auf dem deutschen Markt. Im selben Jahr folgte dann mit My Lil‘ Everdell auch eine Kindervariante, die das doch eher komplexe Kenner-Spiel für Kinder ab 8 Jahren öffnet und mit nur 20 bis 40 Minuten deutlich kürzer ausfällt. Ist man der Kindervariante entwachsen, hat aber gerade vielleicht doch keine Lust auf die „normale“ Variante, die unter Umständen auch schon einmal bis zu 80 Minuten dauern kann, schließt Everdell Duo diese Lücke. Doch nicht nur das: Everdell Duo lässt sich nicht nur kompetitiv spielen, es bringt zusätzlich noch eine kooperative Variante mit sich. Für alle, die noch mehr wollen, gibt es außerdem eine Kampagne sowie eine herausfordernde Variante, die sich wiederum kooperativ aber auch solo spielen lässt. Für Abwechslung ist also gesorgt, wie man an den vielen verschiedenen Spielmodi merken kann!

Wie auch das „normale“ Everdell richtet sich Everdell Duo an Spieler ab 10 Jahren. Dass es sich hierbei nicht um ein simples Familienspiel handelt, sondern die Spieler bestenfalls schon etwas Erfahrung im Bereich der Brettspiele mitbringen sollten, lässt sich am Schachtelaufdruck „Kenner“ erkennen, der auch nicht unbegründet ist. Unterschiedliche Spielmechaniken die ineinandergreifen erfordern taktisches Vorgehen, um am Ende das bestmögliche Ergebnis erzielen zu können. Durch die 80 unterschiedlichen Wesen- und Bauwerkskarten ist zudem jede Partie anders, da verschiedene Karten zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Auswahl stehen, sodass sich kein „Masterplan“ zurechtgelegt werden kann, der dann in jeder Partie funktioniert.

Dadurch, dass sich das Spiel auch kooperativ spielen lässt, eignet es sich gut, um Kinder und Jugendliche in die tiefere Welt der „Kenner“-Spiele einzuführen oder aber gemeinsam mit ihnen in diese Welt einzutauchen und sich die Mechaniken und Strategien Schritt für Schritt zusammen zu erarbeiten. Wer bisher noch nicht so viele oder eventuell auch keine Erfahrungen in diesem Bereich hat, könnte sich allein von der Anleitung her schon etwas erschlagen fühlen, die in Punkto Umfang und Komplexität doch anders ist als bei Spielen, die sich an jüngere Kinder oder Familien richten. Hat man jedoch bereits etwas Erfahrung im Bereich Deckbuilding, Worker-Placement und Ressourcenmanagement, wird man sich in dem übersichtlich gestalteten Heftchen dank vieler anschaulicher Bilder und einer guten Gliederung schnell zurechtfinden. Jeder Spielmodus hat einen eigenen Abschnitt, Beispiele helfen beim Verstehen und Stichpunkte zeigen kurz und knapp die wesentlichen Inhalte an. Da das Spiel 80 unterschiedliche Karten enthält, zu denen trotz einer einheitlichen Symbolverwendung Fragen aufkommen können, gibt es am Ende der Anleitung ein übersichtliches Glossar, in dem sich offene Fragen klären lassen.

Durch die vielen unterschiedlichen Spielmodi und Spielmechaniken kann man mit Everdell Duo nicht viel falsch machen. Ist einem beim Spiel viel Interaktion mit den Mitspielern wichtig, spielt man kooperativ oder die Kampagne, spielt man lieber für sich und mit weniger Interaktion, kommt einem entweder die kompetitive Variante gegen einen realen Gegner oder aber der Solo-Modus entgegen, in dem man sich den Herausforderungen und Lily Lästermaul als fiktiver Gegnerin stellt. Auch die verschiedenen Spielmechaniken und die unterschiedlichen Kapitel der Kampagne sorgen durch immer neue Herausforderungen für viel Abwechslung und langen Spielspaß. Qualitativ kann das Spiel ebenfalls überzeugen. Die schlanke Spielbox passt in jedes Regal, viele kleine Tütchen sorgen dafür, dass das Material nach einer Partie ordentlich verstaut werden kann, sodass bei einer neuen Runde nicht erst lange sortiert werden muss. Schön sind auch die verschiedenen Ressourcen wie Harz, Holz, Beeren und Steine im Mini-Format oder die Holzfiguren in Form von Hase, Schildkröte und Stinktier.

Bisher weitestgehend unerwähnt sind sowohl die phantasievolle Story als auch die tolle Gestaltung des Spiels. Die Geschichte lässt einen ins „bezaubernde Tal von Everdell“ eintauchen, in dem es darum geht eine Stadt aufzubauen, in der sich alle Tiere wohlfühlen. Damit die Stadt funktioniert, können unterschiedliche Gebäude gebaut werden, wie etwa ein Hafen, ein Gewächshaus, ein Jahrmarkt oder aber auch ein Friedhof oder eine Post, die dann jeweils unterschiedliche Funktionen haben wie beispielsweise „Setzt du hier ein Tier ein, darfst du 1 Karte von deiner Hand abwerfen, um dir 3 Ressourcen deiner Wahl und 1 Punktemarker zu nehmen“. Auch die zur Auswahl stehenden Wesen fügen sich gut in die Welt ein. Neben Schmiede-, Fege- oder Hammerhörnchen gibt es beispielsweise auch einen Märchenonkel oder einen Minenmaulwurf, die ebenfalls Funktionen inne haben. Besonders schön sind die Illustrationen auf Spielbrett und Karten, die nicht nur fantasievoll, sondern auch niedlich sind und einen optisch direkt für sich gewinnen.

Auch die Kampagne fügt sich thematisch gut in die Gesamtgeschichte ein. Bei den verschiedenen Aufgaben geht es mal um eine Hungersnot, die es zu bekämpfen gilt, ein anderes Mal bestehen die Herausforderungen aus einem Hochwasser, einer Feuersbrunst oder dem Fangen eines Diebes. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Häsin Holunda Sonnentau und Schildkröterich Oliver Prachtpanzer und werden vom „Waldboten“ und dem „BLATT“ thematisch in ihre Aufgabe eingeführt, anschließend erst gibt es praktische Hinweise zur Spielvorbereitung und den zu meisternden Aufgaben, was dem Spiel Atmosphäre gibt.

Fazit

Insgesamt ein tolles Spiel, das in allen Bereichen überzeugen kann und einen mit in die fantastische Welt von Everdell nimmt. Unterschiedliche Modi, verschiedene Spielmechaniken, die stimmig ineinandergreifen, und eine tolle Optik sorgen für Langzeitspielspaß, da das Spiel immer wieder neue Herausforderungen für die Spieler bereithält!

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