Jonah und Piet ...wir sind ganz anders

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2011

Idee

Jonah und Piet scheinen grundverschieden – und das sind sie auch, wie es zunächst scheint. Sie machen dies an Äußerlichkeiten fest – doch nach und nach enthüllt die Geschichte die Verschiedenheit ihrer Gefühle.

Bilder

Martina Bürger vermag ihren Text durch farbenfrohe Illustrationen gekonnt zu untermalen – und auch weiterzuführen.

Text

Der Text des Bilderbuches ist einfühlsam und altersgerecht formuliert. Metaphern bieten zahlreiche Gesprächsanlässe.

Wer mag wohl hinter der roten Tür der Umkleidekabine auf dem Titel stecken? Was haben die beiden Jungen vor, die vorsichtig um die Ecke schauen? Sind sie ängstlich, beobachten sie etwas - oder hecken sie gerade einen Schabernack aus? Fragen über Fragen entstehen bei Groß und Klein schon beim Betrachten des Covers des besonderen Bilderbuches von Martina Bürger. Und genau diese Neugier vermag die Autorin ihren LeserInnen auch während der Lektüre zu erhalten.

Es ist die erstes Schwimmstunde mit der neuen Klasse im neuen Schuljahr. Alle Kinder sind im Becken - alle, bis auf Piet und Jonah, die versteckt in zwei nebeneinander liegenden Umkleidekabinen sitzen. Unterschiedlicher könnten die beiden Jungen nicht sein. Jonah gleicht einem Trampeltier. Er wird schnell wütend und empfindet sich als Klotz. Er mag nicht aus der Umkleidekabine heraus, weil er Haare hat, in denen die anderen Kinder verfangen könnten: "krauselig wie Kraut, so stachelig wie Salzstangen und so dünn wie Spaghetti." Alles an ihm ist zu klein, seine Badehose - und nicht nur die: Alle Badehosen scheinen ihm nicht zu passen.

Piet hingegen ist winzig wie ein Mäuschen. Das Piepsen eines Mäuschens passt deshalb gut zu seinem Namen. Er hat Angst davor, vom Sprungturm zu springen und im Schwimmerbecken zu schwimmen. Er ist überzeugt davon, hier würde er "sich sofort verschwimmen." Der Junge ist klein, schmal und "zerbrechlich". Piets Eltern haben viel zu viel Zeit und erdrücken ihn fast mit ihrer Liebe, Jonahs hingegen sind cool, besitzen ein Mobiltelefon und eine Firma. Doch was sie gar nicht haben, das ist Zeit für ihren Sohn. In den Umkleidekabinen geraten die beiden ins Gespräch und erzählen davon, wie sie sich selbst sehen und empfinden. Dies weckt die Neugier aneinander. Die beiden Jungen fassen sich ein Herz und zählen bis drei - und zum Vorschein kommen: ... zwei ganz normale Jungen.

In einer Zeit, wo viel Wert auf Äußerlichkeiten gelegt wird, beschäftigen sich schon kleinere Kinder mit ihrem Aussehen und ihrer Wirkung auf andere. Dies hat die junge Autorin Martina Bürger beobachtet und in "Jonah und Piet" gekonnt in Szene gesetzt. Mit ihrem Buch lädt sie Groß und Klein ein, genau hinzuschauen. Die Illustration des Einbandes zeigt Kinder beim Schwimmen. Im Hintergrund sieht man eine Reihe von geschlossenen Umkleidekabinen. Und wenn man ganz genau hinschaut, so sieht man, dass zwei der Umkleidekabinen noch besetzt sind. Unter ihren Türen ragen zwei Fußpaare hervor. Nach und nach hören und betrachten die jungen LeserInnen die Geschichte von "Jonah und Piet". Es scheint eine Geschichte zu sein von zwei Jungen, die grundverschieden sind. Der eine, Jonah, erscheint zu mächtig in seiner Statur und er scheint darunter sehr zu leiden. Piet, der Junge in der Kabine neben Jonah, schildert sich als klein und zerbrechlich. Er hat Ängste und es scheint, als könnte ihn der kleinste Windhauch umwehen. Text und Illustrationen korrespondieren in dieser Vorstellung. Die ausdrucksstarken Illustrationen von Martina Bürger weisen an vielen Stellen über den Text hinaus. Sie setzen die Ängste und Nöte der beiden Kinder gekonnt ins Bild.

Umso überraschender ist der Moment, an dem Jonah und Piet die RezipientInnen daran teilhaben lassen, als sie sich zum ersten Mal sehen. Die Blicke der beiden ganz normalen Jungen treffen sich eher nachdenklich und ein klein wenig überrascht. Denn den jeweils anderen haben sie sich gewiss anders vorgestellt.

Anknüpfungsmomente bietet das Bilderbuch in vielerlei Hinsicht. Es ist zwar für Kinder ab drei Jahren vorgesehen, eignet sich jedoch eher für einen Einsatz ab dem Grundschulalter. So könnte es etwa im Rahmen des Grundschulunterrichtes verwendet werden. Beispielsweise dann, wenn in der Klasse vermehrt über Äußerlichkeiten gesprochen wird. Das Buch eignet sich für den Deutschunterricht, aber auch für die Fächer Sachunterricht oder Religion/Ethik.

Gerade aber auch im häuslichen Bereich bietet das Buch mit den beiden Hauptfiguren hervorragende Identifikationsmöglichkeiten. Während des Leseprozesses sollten alle Beteiligten über den Text und die Bilder im Gespräch bleiben. Viele Kinder werden ähnliche Momente kennen, in denen sie sich zu massig oder zu klein, einer Situation nicht gewachsen oder aber auch einfach nur allein fühlten. Hier werden die erwachsenen Begleitpersonen sicherlich ebenso viele Beispiele aus der eigenen Kindheit beisteuern können. Bevor die letzte Seite des Buches betrachtet wird, sollten die LeserInnen ihre Vermutungen äußern, wie die beiden Jungen wohl aufeinander treffen werden. Wer mag, kann dies auch aufmalen und die Geschichte weiter erzählen. Ihre Überraschung tun Kinder ab sechs Jahren beim Auflösen der Situation spontan kund.

Mit dem Vorlesen des Buches und dem Betrachten der farbenfrohen Bilder der Autorin ist der Leseprozess jedoch noch nicht vorbei. Zu viele Fragen bleiben offen - und werden von den Kindern verbalisiert. Die Geschichte von Jonah und Piet geht somit weiter.

Fazit:

"Jonah und Piet ... wir sind ganz anders" ist ein besonderes Bilderbuch. Eines, das einfühlsam kindliche Gedanken, Ängste und Nöte aufnimmt und diese ernst nimmt. So nimmt es große und kleine Leser mit auf die Reise in die Gefühlswelt der beiden Jungen - und lässt dabei jederzeit Rückgriffe auf die eigene Situation der Leser zu.

Alexandra von Plüskow

 

Jonah und Piet ...wir sind ganz anders

Martina Bürger, Aracari

Jonah und Piet ...wir sind ganz anders

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