Tintentod

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2007

Idee

Sehr detailreich, wie auch humorvoll-lebendig erweckt Cornelia Funke ihre Helden zum Leben. Einfallsreiche, verzwickte Wendungen mit gewissem Anspruch, fantasievolle Details.

Bilder

vereinzelte s/w Strichzeichnungen der Autorin verleihen dem Buch einen besonderen Charme

Text

Zu Anfang etwas zu ausschweifend, wenn auch oft sehr poetisch und gefühlvoll erzählt. Zum Ende aber rasantes Erzähltempo, das einfach mitreissend ist.

Der ungeduldig erwartete dritte Teil der Tintenherz-Trilogie, ";Tintentod", erzählt von der wahrgewordenen Bedrohung in einer erfundenen Welt. Sogar die Rückkehr von den Toten mag hier möglich sein, denn in der Tintenwelt herrschen andere, von den Buchstaben gemachte Gesetze. Letztlich geht es aber in der finalen Auseinadersetzung zwischen Gut und Böse darum, wer die Geschicke der Tintenwelt weiterbestimmt. Ist es Fenoglio, der Erschaffer der Tintenwelt, oder doch Orpheus, der sie ganz nach seinem Gutdünken manipuliert? Vielleicht schreibt sich die Geschichte aber auch selbst und hat ihre eigenen Pläne mit Meggie, Mo, Resa und Farid...

Vor allem Orpheus, der im Besitz des letzten Tintenherz-Exemplares ist, lässt keine Gelegenheit aus, der Geschichte seinen Stempel aufzudrücken. Dabei geht er überaus egoistisch vor; er schreibt sich zahlreiche Silberschätze herbei, die Farid, der immer noch hofft Orpheus könne Staubfinger von den Toten zurückholen, für ihn heben muss. Auch fügt er der Tintenwelt seine eigenen ";Erfindungen" bei, dem Fenoglio zwar mit Abscheu, aber dennoch tatenlos zusehen muss.

An dieser Stelle möchte ich die Empfehlung anmerken, dass man, wenn man die ersten beiden Bände noch nicht gelesen hat oder sie nicht mehr so gut erinnert, in der Rezension zu Band 2 "Tintenblut" nachlesen kann, was zuvor passiert ist. Doch für alle, die noch bestens ";im Thema" sind, können wir fortfahren ...

... Mo, der ";Eichelhäher", ist unter die Räuber gegangen und hat die ihm von Fenoglio zugeschriebene Rolle voll und ganz eingenommen. Ganz zum Missfallen von Mo´s Frau Resa, die von ihm ein Kind erwartet, und seiner Tochter Meggie. Der ";Eichelhäher" ist überaus beliebt bei der Bevölkerung, die aufgrund der Abgaben an den neuen Herrscher von Ombra, dem ";Hänfling" und Schwager des Silberfürsten, gerade das nötigste zum Leben hat. Wie Robin Hood überfällt er die Transporte zur Nachtburg, um es der armen Bevölkerung zurückzugeben - und er versucht so gut es geht, die überwiegend alleinstehenden Frauen vor der Willkür der Soldaten zu schützen; sind ihre Männer doch so zahlreich in der Schlacht zwischen Cosimo, den Fenoglio scheinbar von den Toten zurückgeholt hat, und dem Natternfürsten gefallen.

Mo, Buchbinder, Zauberzunge und Eichelhäher in einer Person, hat sich nicht nur bei dem ";Hänfling" Feinde gemacht. Auch der Silberfürst, dem er das leere, unsterblich machende Buch gebunden hat, will Mo eines grausamen Todes sterben sehen - aber erst, nachdem der Buchbinder das von Schimmel durchsetzte Buch wieder heilt. Denn Mo hat, da er um den schnellen Fäulnisvorgang in Büchern weiss, dafür gesorgt, dass nicht nur das Buch vermodert, sondern auch der Silberfürst selbst am lebendigen Leib. Die Qualen, die er dabei durchlebt, machen ihn überaus gefährlich und diese Notlage weiss Orpheus am Ende auch geschickt für sich zu nutzen.

Resa aber bittet Orpheus verzweifelt, sie und ihre Familie wieder in ihre Welt zurückzuschreiben. Doch das hat seinen Preis: Mo, den die Weissen Frauen nur zu gut kennen, soll im Gegenzug helfen, Staubfinger von den Toten zurückzuholen. Doch Orpheus spielt ein doppeltes Spiel, denn nach Orpheus Plänen sollen die Weissen Frauen den Eichelhäher als Ersatz für Staubfinger behalten. Darauf aber lässt sich der Tod, oder die Wandlerin, wie sich das Wesen selbst nennt, nicht ein. Sie und die Weissen Frauen haben mit dem Buchbinder anderes vor, denn schließlich hat er mit dem leeren Buch, das er dem Silberfürsten gebunden hat, die Pläne des Todes durchkreuzt. Ihre Bedingung, damit Mo und Staubfinger zu den Lebenden zurückkehren können, ist, dass Mo drei Worte in das Buch des Silberfürsten schreibt, die ihn endgültig töten sollen. Sollte dies dem Buchbinder nicht gelingen, so fordert der Tod nicht nur sein Leben sondern auch das seiner Tochter Meggie.

Staubfinger ist wieder unter den Lebenden und niemand ist wohl glücklicher über dessen Rückkehr als Farid, sein treuer Freund.

Als der Pfeifer im Auftrag des Silberfürsten nach Ombra kommt, um den Eichelhäher endlich einzufangen, greifen die finsteren Regenten zu einem abscheulichen Mittel: Sie lassen alle älteren Kinder einsperren und verlangen für deren Freilassung die Auslieferung des Eichelhähers. Mo geht auf diesen Handel ein, verspricht ihm doch die Tochter des Natternfürsten, Violante, die auch die ";Hässliche" genannt wird, ihre ganze Macht auszuspielen und ihn vor dem Pfeifer zu schützen. Selbst die Tochter will den Tod des Natternfürsten - aber kann er ihr wirklich vertrauen? Doch Mo weiss, dass er nur auf diese Weise an das Buch des Silberfürsten gelangt, um die drei alles entscheidenden Worte hineinzuschreiben.

In der Burg von Ombra aber können weder Violante, noch Staubfingers Künste Mo vor den Misshandlungen des silbernasigen Pfeifers schützen. Violante nimmt den Gefangenen, zusammen mit ihren wenigen verbliebenen Soldaten, mit auf die Burg im See, in der ihre Mutter einst lebte. Die finstere Burg, die nur über die lange, schmale Brücke zu erreichen ist, steht schon viele Jahre leer und Violante ist sich sicher, dass ihr Vater sie dort nicht angreifen kann. Doch da irrt sie sich.

Trotz der morbiden Thematik beschreibt Cornelia Funke die Faszinantion ihrer Tintenwelt wesentlich dichter als in den vorangegangenen Bänden und man darf gespannt sein, wer die Geschicke dieser fremden, mittelalterlichen Welt bestimmen wird. Die Feen, auch die schillernd-bunten, die Orpheus hinzugedichtet hat, sowie die Glasmänner und andere Wesen erhalten mehr Raum in der Erzählung und machen die Tintenwelt lebendiger. Auch andere, magische Begebenheiten wie die herausragenden Kräfte von Staubfinger oder die Möglichkeit, sich durch bestimmte Beeren in ein anderes Tier zu verwandeln, werden überzeugend in die Geschichte aufgenommen und wirken mehr denn je wie eine fantastische Erzählung. Die Wirrniss Mortolas (der Mutter von Capricorn) im Körper einer Elster ist sehr greifbar erzählt. Der Vogel, in dem sie steckt, kommt ihren menschlichen Gedanken immer mehr in die Quere und meldet seine Bedürfnisse an, die Mortola am Ende kaum noch bändigen kann.

Auch wirkt in diesem Band beinahe wohltuend, dass sich die Bösewichte zur Abwechslung auch mal gegenseitig zur Strecke bringen. Die Machtverhältnisse scheinen sich nicht zuletzt durch die Manipulationen von Orpheus verschoben zu haben. Überzeugend und herausfordernd erzählt Cornelia Funke von den miteinander verwobenen Schicksalen ihrer Charaktere. Sehr viel stärker als zuvor erweckt sie ihre Darsteller und damit ihre Welt zum Leben und integriert sie in die Handlung, indem sie auf ihre Geschichte in der Tintenwelt verweist.

In einer wunderbar dichten und regelrecht poetischen Sprache beschreibt Cornelia Funke die Aktionen, Motive und Gefühle ihrer Protagonisten. Bei aller Sprachgewandtheit geschieht das aber manchmal doch übertrieben ausschweifend und akribisch, so dass das Tempo der Geschichte unnötig ausgebremst wird und der Eindruck entsteht, dass sich einige Betrachtungen wiederholen.

Aber dann passiert es - und zwar gleichzeitg und die Geschichte zeigt das kreative Talent iher Autorin: Während Fenoglio die Dinge schreibt, passieren sie weit weg an anderer Stelle tatsächlich in der Geschichte. So werden die Zeilen aus Fenoglios Manuskript auch Teil der uns vorliegenden Geschichte. Das eine fliesst nun in das andere. Sie spielt geschickt mit den Ebenen innerhalb und außerhalb ihrer Geschichte, so wie auch mit der unserer realen Welt. Was aber ist real? Das Ungeschreibene oder das, was wir gerade lesen? Hat Cornelia Funke selbst denn nicht die Hand im Spiel? Natürlich. Aber bei keinem anderen Buch hat es diese Bedeutung. Die Gedanken, die sich der vermeintliche ";Erfinder" der Tintenwelt, Fenoglio, macht, sind also nicht abwegig. Denn was wäre, wenn auch er nur eine Figur im Buch ist? Daran mag der alte, eitle Mann gar nicht denken. Und so wissen auch wir, dass die Helden wie auch die Bösewichte wohl kaum den Verlauf der Geschichte bestimmen können. Sie können versuchen, ihre Möglichkeiten spielen zu lassen, doch das letzte Wort wird sie, die Autorin, haben.

Das Ende, das sei hier verraten, beschert wahrlich knisternde Spannung mit Herzklopfen. Cornelia Funke schafft mit ihrem genialen Einfall einen perfekten Abschluss ihrer Trilogie. Obwohl ... einer könnte den Verlauf vielleicht doch noch verändern. Doch nur Cornelia Funke allein weiss, ob sie diesen einen auch gewähren liesse.

Fazit:

Viel doppelbödiger, verzwickter und tiefsinniger empfängt uns die Tintenwelt in ihrem dritten und letzten Teil. Über weite Strecken sehr ausschweifend erzählt, lädt es zum Verweilen in der fantastischen und dennoch so realistisch erscheinenden Welt ein. Das Ende aber macht alle Längen wieder wett: Rasant erzählt liefert uns Cornelia Funke den Höhepunkt ihrer Trilogie - und der ist an Spannung kaum zu überbieten!

Stefanie Eckmann-Schmechta

Tintentod

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